Hadamard-112 Wärmetherapie
gegen Kleben

ART & SCIENCE
Roland Dreyer
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Lehr-Labor
der Staatlichen Akademie
der Bildenden Künste Stuttgart, Fakultät Konservierung Neuer Medien und Digitaler Information

Thermische Bandkonditionierung

Problem:
Bei Magnetbändern, vor allem aus den Produktionsjahren 1975-1984, können sich bereits nach wenigen Jahren drei Arten von Schäden entwickeln, bekannt als Sticky Shed Syndrome:

  • Ablösen der Magnetschicht (Shedding)
  • Klebrigkeit (Stickiness)
  • Quietschendes lautes Laufgeräusch (Squealing)

Folgen:

  • Schnelles Zusetzen/Verschmutzen von Köpfen und Bandlauf
  • Gleichlaufstörungen durch ständig wechselnde Zugkräfte
  • Irreparable Schädigung des Bandes durch Schichtablösung

Ursache: Der Binder vieler Magnetmedien besteht aus einem thermoplastischen Polymer oder einem Polymersystem auf Polyester-Urethan-Basis, wie Polyvinylchlorid (PVC), Polyvinylacetat (PVAC) oder Cellulose-Nitrat. Unter dem Einfluss von Luftfeuchtigkeit kommt es zur Hydrolyse: dabei brechen die Ester-Bindungen auf (Binder breakdown) und es bilden sich kleinere Oligomerketten mit niedrigerem Festpunkt.

Lösung: Gemäß dem US-Patent Nr. 5.236.790 der Firma Ampex von 1993 genügt es häufig, das Magnetband für 8-16 Stunden bei 54° C (130° F) und weniger als 15% relativer Luftfeuchte zu „backen“, um das Band für mehrere Wochen wieder abspielbar zu machen. Bei feuchter Lagerung entstehen natürlich wieder neue Hydrolyse-Symptome!

Methodik: Der Einsatz industrieller Trocken- oder Klimaschränke scheitert meist an den Kosten (ab 1.500,- EUR) und unpassenden Temperaturbereichen. Für kleinere Mengen kann dieses Tape Baking sehr preisgünstig auch in sogen Dörr-Automaten (ab ca. 160,- EUR) erfolgen, bei denen die Temperatur stufenlos einstellbar und möglichst genau (+/- 5° C) geregelt wird. Die Kapazität dieser Geräte lässt sich durch zusätzliche Siebe erweitern. Ein Beispiel ist der Dörrautomat dörrex (Art. Nr. 0076) mit Zeitschaltuhr von Stöckli, CH-8754 Netstal, Schweiz (Bild rechts außen).

Warnung: Bei hydrolisierenden Acetat-Bändern mit Essigsyndrom (Vinegar Syndrome) ist die thermische Rekonditionierung absolut kontrainduziert! Man erkennt Acetat-Material an seiner Transparenz im Wickel.

Hinweise: Man prüfe vorher, ob es sich wirklich um einen „Binder Breakdown“ und nicht um den (seltenen) „Lubricant Breakdown“, also das Ausschwitzen von Gleitzusätzen handelt. Im ersten Fall sind die Beläge am Kopf dunkel, im zweiten dagegen eher weißlich. Ausgeschwitztes Gleitmittel lässt sich nur durch eine Reinigung des Bandes beseitigen. Die Wärmebehandlung ist hier kontraindiziert!

Ein gasbetriebener Backofen ist für das Tape Baking völlig ungeeignet, weil das Gas u.a. zu Wasserdampf verbrennt!

Band auf kleinen Spulen mit sichtbaren Wellen im Wickel sollte längere Zeit bei ca. 48° C vorbehandelt und dann umgespult werden, um eine permanente Bandverformung zu vermeiden. Je schlechter der Wickel ist, desto länger muss die Aufwärmphase dauern, um eine Überhitzung überstehender Bandränder zu verhindern. Eine lange Abkühlphase ist erforderlich, um eine erneute schnelle Wasserabsorption zu vermeiden. Das Magnetband sollte nach der Wärmebehandlung mit einem Beutel Silica-Gel (Trockenmittel) luftdicht in einen PA-Beutel eingeschweißt werden.

Ampex-Patent-250

Links: Das Ampex-Patent von 1993 (links) beschreibt ein einfaches Verfahren, um das Sticky Shed Syndrome für einige Zeit zum Verschwinden zu bringen. Dazu benötigt man idealerweise einen professionellen Wärmeschrank (unten links). Erheblich preiswerter ist ein handelsüblicher Dörrautomat (unten rechts): hier das Modell dörrex vom Schweizer Hersteller Stöckli.

Wärmeschrank Doerrgerät-Stoeckli
Vinegar-Bottles

Acetat-Bänder mit Vingear-Syndrom dürfen keinesfalls in den Wärmeschrank gelegt werden!

Wickelfehler

Unsaubere und wellige Bandwickel sollten behutsam vorerwärmt und dann umgespult werden, um bleibende Verformungen zu vermeiden.